Ein Kreuz in Sibirien by Heinz G. Konsalik

Ein Kreuz in Sibirien by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-29T04:00:00+00:00


Am Mittwoch kam Abukow nach Surgut zurück.

Nachdem er seine quittierten Transportlisten abgegeben hatte, seinen Fahrtbericht und einen Brief des Magazinverwalters Martynow aus dem Frauenlager an den lieben Genossen Hauptverwalter der Lebensmittelzentrale von Surgut, ließ sich Abukow bei dem Transportleiter melden und bat um zwei Tage Urlaub nach Tjumen.

Die beiden Tage und Nächte in Tetu-Marmontoyai hatte er ungefährdet hinter sich gebracht – im Gegensatz zu seinen Fahrerkameraden, die hohläugig und ausgehöhlt in ihre Wagen kletterten und zu Abukow sagten:

»Ein Feigling bist du doch, Victor Juwanowitsch. Drückst dich beim Kommandanten rum, und uns reißen sie die Eier aus!«

Chakimow seufzte grundtief, setzte sich ganz vorsichtig auf den harten Ledersitz des Kühlwagens und lehnte dann den Kopf gegen Abukows Schulter. »Geahnt habe ich das! Immer das gleiche. Kann kaum sitzen, Brüderchen. O diese Höllenweiber! Nicht einen Tropfen Saft habe ich mehr im Rückenmark. Fahr vorsichtig, sonst breche ich auseinander …«

Es hatte sich auch in Tetu-Marmontoyai gezeigt, daß die Menschen ungeachtet ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe, Haarfarbe und Körperform sich alle gleich sind. Oberst Kabulbekow hatte den ihm bisher fremden Abukow umarmt und an sein Herz gedrückt, als dieser ihm ein paar Pfund Rinderbraten in das Privatzimmer brachte. Der Kommandant versteckte den Schatz sofort in einem Kühlschrank, den er sorgfältig abschloß. Den Schlüssel hängte er an ein Band um seinen Hals.

»Wir einsamen Sibirier müssen zusammenhalten«, meinte er, und seine Schlitzaugen leuchteten vor Freude. »Das Land frißt einen auf, wenn man nichts zu fressen hat. Mein lieber Victor Juwanowitsch, Sie haben die Probleme lobenswert gut erkannt.«

Während die anderen Fahrer auf Feldbetten in der Autowerkstatt untergebracht waren, durfte Abukow in der Kommandantur schlafen, bekam ein eigenes Zimmerchen mit Radio und einem weiß bezogenen Bett und entging so dem Ansturm der liebeshungrigen Frauen. An der Seite von Oberst Kabulbekow besichtigte er den ganzen Lagerkomplex und staunte über die Sauberkeit und Ordnung, die hier herrschte. Es war Kabulbekows ganzer Stolz, solch ein Lager zu führen.

Da gab es die große Schneiderei, in der 1.200 Frauen die Arbeitsanzüge für die Straflager des gesamten Bezirks Tjumen nähten, Hallen voller Nähmaschinen und Zuschneidemaschinen, Knopflöcherstanzen und Bügelautomaten, ein großes Stofflager und eine Packerei, in der die fertige Kleidung zu Bündeln oder in großen Kartons zusammengelegt wurde. Eine andere Abteilung stellte Stepphandschuhe her für die langen Wintermonate, wattegefütterte Hosen und Jacken, gepolsterte Mützen mit Ohrenklappen und sogar knöchellange Mäntel aus dickem Wollstoff und mit gerupfter Schafwolle gefüllt. Abukow staunte.

»Welch herrliche Sachen! Wo gehen sie hin?« fragte er.

Kabulbekow sah ihn von der Seite an: »In die Lager.«

»In welche Lager?«

»In alle Häftlingslager des Verwaltungsbezirks Perm und Swerdlowsk. Auch den Bezirk Omsk beliefern wir zum Teil.«

»Dann müssen alle Transporte einen Umweg um Nowo Wostokiny machen«, sagte Abukow, »oder JaZ 451/1 steht auf keiner Karte. Seit zwei Jahren ist dort kein Steppmantel angekommen. Genosse Kommandant – woran mag das liegen?«

»Das sind Fragen, die man verschlucken sollte.« Kabulbekow grinste verhalten. »Victor Juwanowitsch, mein Lager liefert die schönen Dinge pünktlich nach Plan und Soll. Sie sehen selbst, wie voll die Magazine sind und wie sich die Sachen stapeln. Und dann kommen die Lastwagen, holen sie ab, und damit ist meine Aufgabe erfüllt.



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